Powered By Blogger

Mittwoch, 2. November 2022

Mehr Buchtipps?

In letzter Zeit habe ich eher wenige Buchtipps auf diesem Blog gepostet.
Das liegt unter anderem daran, dass ich zur Zeit mehr Bilderbücher und überhaupt viele Bücher für die "Kleinen" bespreche. Die passen natürlich nicht so gut auf einen Jugendbuchblog.

Wer jedoch auch daran Interesse hat, kann mir gerne auf meiner "Buchändlerseite" folgen, wo ich wöchentlich Tipps poste:

https://www.osiander.de/buchhaendler/7180922/buchhaendlerseite

Im Dezember gibt es dort ein besonderes Highlight. Als "Buchtipp-Adventskalender" werde ich täglich ein Weihnachtsbuch besprechen!

Viel Spaß beim Lesen wünscht Eure Very 📚😊

"Leben. Nehmen."


Neue Schullektüre gesucht? Wie wäre es mit: "Leben. Nehmen."?

Tullio Forgiarini, übersetzt von Luc Spada Leben. Nehmen. 978-3-401-60570-8 Arena Verlag Alter: 14+

Johnny ist fünfzehn Jahre alt. Als Kleinkind wurde er vom Vater misshandelt und vernachlässigt, und seine Mutter Sandra, mit der er in einer umgebauten Scheune lebt, ist dumm wie Brot, Alkoholikerin, hat ständig wechselnde Freunde und einen Ruf als Nutte weg. Johnny ist ein Kiffer, Schläger, Ladendieb, Schulversager, kurz: ein Loser, der kurz vor dem Jugendknast steht. Es gibt eine Anhörung, weil er sich mit Daniel, dem größten Arsch der Schule, geprügelt hat. Er hat ihn mit seinem Schal gewürgt und dann mit dem Baseballschläger verdroschen. Seine Lehrer und die Erzieherin Nathalie Steines geben ihm noch eine letzte Chance: “Auszeit”, ein Programm für Problemjugendliche, spezielle Lehrer, klare Grenzen, Disziplin und all so ein Scheiß, also auch eine Art Knast. Dort trifft er Shirley, erst dreizehn Jahre alt, aber alles andere als unschuldig. Sie ist total heiß, und Johnny wird jedesmal ganz geil und fängt an zu sabbern wie ein Vollidiot, wenn er sie anschaut in ihren aufreizenden Klamotten, die mehr zeigen als verdecken. Er schenkt ihr Zigaretten, und sie verbrennt ihn (absichtlich) an der Schulter. Sie ist ziemlich durchgeknallt, war schon mal in der Jugendklapse, und ihre Mutter war ein Heroin-Junkie. Sie kann ziemlich ausrasten, hat schon mal einem Mädchen den Nasenring rausgerissen und einen Zirkel ins Bein gestochen, weil sie ein paar Jungs gewisse Sachen über Shirley getextet hat. Statt sich zu entschuldigen, treibt Shirley es immer noch auf die Spitze, was Johnny nicht verstehen kann. Er hält den Ball flach, um nicht noch mehr Ärger zu bekommen. Leider ist er Shirley schon bald total verfallen (ok, hauptsächlich will er sie flachlegen) und lässt sich von ihr zum Schuleschwänzen verleiten. Die beiden gehen ins Kino, knutschen, verprügeln einen Jungen, um an dessen Dolce & Gabbana-Jacke zu kommen und besaufen sich mit Wodka im Stadtpark. Shirley kennt eine Menge Leute, und schon bald fahren sie zu sechst im Auto durch die Gegend, kiffen und brechen dann in ein Haus ein, in dem früher mal ein Puff war. Sie saufen Jägermeister, tanzen, randalieren. Die Mädchen schmeißen Pillen ein, und Shirley drückt erneut eine Kippe auf Johnnys Schulter aus. Was stimmt nicht mit diesem Mädchen? Johnny ist hackedicht, kotzt sich voll, wird irgendwann bewusstlos und wacht im Krankenhaus auf. Er wird von der Polizei befragt, auch über die Brandwunden an seinem Rücken, doch er erzählt nicht die ganze Wahrheit. Er will Shirley schützen, trotz allem. Sobald er kann, türmt er aus dem Krankenhaus und taucht mit einem gewaltigen Messer in der Schule auf, wo er den Lehrer bedroht und Shirley mitnimmt. Sie hat eigentlich gar keinen Bock mehr auf ihn, aber nachdem er verspricht, mit ihr ins Phantasialand zu fahren, kommt sie mit. Doch irgendwann wird Johnny das alles zu viel, und er ruft Nathalie Steines an. Diese ist für ihr Alter eigentlich ganz cool (und ihre durchsichtigen Blusen sind auch nicht zu verachten), aber in Nathalies Wohnung dreht Shirley plötzlich durch und geht auf Nathalie los. Johnny schlägt sich auf Shirleys Seite, und gemeinsam schlagen sie Nathalie zusammen. Sie rührt sich nicht mehr. Ist sie tot?

Ein ziemlich heftiges Buch! Mir war es oft ein bisschen zu sehr Jugendsprache, und zwar von der asozialen, vulgären Sorte, aber das passt irgendwie zur Geschichte. Was für mich auch ein wenig gewöhnungsbedürftig war, ist die Erzählform. Es handelt sich hier um einen inneren Monolog, der jedoch zum größten Teil nicht in der typischen Ich-Form, sondern in der Du-Form gehalten ist. Auch die Frage, ob die Hauptfigur jetzt Johnny Chicago oder John Guddebuer heißt, oder vielleicht einen völlig anderen Namen hat, hat mich leicht verwirrt. Ich würde letztendlich sagen, Johnny Chicago ist der imaginäre Freund des (namenlosen?) Protagonisten und “beschützt” diesen sozusagen seit seiner traumatischen Kindheit. Trotz allem hat mir das Buch gefallen, und ich könnte es mir auch gut als Schullektüre vorstellen. Für alle interessierten Lehrer*innen stehen zu diesem Titel Unterrichtsmaterialien zum kostenlosen Download bereit unter: https://www.arena-verlag.de/sites/default/files/product/unterrichtserarbeitung/978-3-401-60570-8/UE_Forgiarini_Leben-nehmen.pdf

Viel Spaß beim Lesen!!!


Buch bestellen?

https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1057871949


"Wie Sheltie auf Schatzsuche ging"


Kleines Pony - großes Herz: "Wie Sheltie auf Schatzsuche ging"!

Peter Clover, übersetzt von Claudia Schuller
Wie Sheltie auf Schatzsuche ging
978-3-440-17134-9
Kosmos Verlag
Alter: 7+
Nach “Wie Sheltie zu uns kam” ist dies nun das zweite Abenteuer von Emma und ihrem Shetlandpony Sheltie. Emma und Sheltie verbringen ihre Zeit am liebsten am Hufeisenteich. Jetzt ist Emma ganz aufgeregt. Der Teich soll zugeschüttet und dort soll ein Campingplatz gebaut werden, und das alles, weil Bauer Berg Geldsorgen hat und Teich und Wiese verkaufen muss. Zwei unfreundliche Männer vermessen das Gelände. Dass Emma und Sheltie da sind, passt ihnen gar nicht. Dann klaut der freche Sheltie ihnen auch noch einen alten Zettel, und sie werden richtig wütend. Alle denken, dass Sheltie den Zettel gefressen hat, doch das kluge Pony hat ihn stattdessen im Heu versteckt. Emma zeigt den Zettel ihrem Nachbarn Herr Krock und erzählt, dass sie nachts die Männer mit einer Taschenlampe und einem seltsamen Gerät über die Wiese hat geistern sehen. Herr Krock meint, das war sicher ein Metalldetektor, und der Zettel sei eine Schatzkarte. Die Männer suchen sicher den Schatz des alten Oberst, der früher auf dem Gutshof gelebt hat. Da sie bislang nichts Verbotenes getan haben, bringt es nichts, die Polizei einzuschalten. Doch Emma gibt nicht so leicht auf. Sie beschließt, den Schatz als Erste zu finden und macht sich mit Sheltie auf die Suche. Um die Männer abzulenken, vergräbt Emma überall alte Konservendosen. Unter einem Stechpalmenbusch entdeckt sie dann einen Stein mit einer Markierung. Herr Krock hilft ihr, den Schatz zu heben. Sie verstecken ihn in einer Schubkarre unter einem Stapel Brennholz. Leider haben die Männer Verdacht geschöpft, entdecken die Kiste in der Schubkarre und fesseln Emma und Herr Krock an einen Baum. Sheltie konnte jedoch entkommen. Wird es das schlaue Pony schaffen, Hilfe zu holen?
Bereits in den 90er Jahren begeisterte Sheltie die jungen Pferdefans. Jetzt ist das freche, kluge Pony wieder da, mit frischen, farbigen Illustrationen und noch größerer Schrift. Was mir an Shelties Abenteuern besonders gefällt: Sheltie ist ein ganz “normales” Pony. Kein Horn, keine Flügel, kein Feenstaub oder sonstiger Glitzer - und kein bisschen Rosa! Fortgeschrittene Erstleser*innen ab der 2. Klasse, die Pferde und Ponys mögen, werden Sheltie lieben! 
Viel Spaß beim Lesen!!!


Mittwoch, 24. August 2022

"Loveless"


Liebe? Oder lieber nicht?: "Loveless"!

Alice Oseman, übersetzt von Vanessa Walder
Loveless - Wann beginnt endlich meine Story? 978-3-7432-1219-0 Loewe Verlag Alter: 12+

Die achtzehnjährige Georgia ist eine totale Romantikerin, steht auf kitschige Fan-Fiction, Hochzeiten und Disney-Filme mit Happy End. Sie selbst war noch nie verliebt, hatte noch nie eine Beziehung und ist noch immer ungeküsst. Um dazuzugehören, will sie auf der Abschlussparty den attraktiven Tommy küssen, lässt es dann aber doch bleiben, weil sie es eigentlich nicht wirklich will. Sie fühlt sich mies, weil sie sich so verzweifelt nach der großen Liebe sehnt. Ihre besten Freunde Pip (Felipa) und Jason trösten sie und meinen, sie sei eben schüchtern und der oder die Richtige würde schon noch kommen. Die drei Freunde beginnen bald darauf ihr Studium an der Durham University. Im Wohnheim teilt sich Georgia ein Zimmer mit Rooney. Rooney ist ein Wirbelwind, geschwätzig, kontaktfreudig, extrovertiert, schleppt jeden Tag einen anderen ab, liebt Shakespeare und hat eine Zimmerpflanze namens Roderick. Georgia beneidet Rooney, die so anders als sie selbst ist. Das Einzige, was die beiden Mädchen verbindet, ist die Liebe zum Theater. Gemeinsam mit Pip, die sich total in Rooney verknallt hat, und Jason gründen sie eine Shakespeare-Gruppe. Rooney will Georgia verkuppeln und schleppt sie auf Partys und in Clubs. Doch keine(r) der potentiellen Lover gefällt Georgia. Ist sie zu anspruchsvoll? Sie lädt “Tinder” runter, mit dem Ergebnis, dass sie immer nur nach links wischt und die App wieder löscht. Weil Pip bei Rooney nicht landen kann, erklärt sie sie zur Feindin, und zwischen den beiden bricht der große Zickenkrieg aus. Georgia steht zwischen den Stühlen. Halt findet sie bei Sunil, dem Präsidenten der Campus Pride Society, der ihr das Gefühl gibt, ok zu sein und ihr sagt, es sei ein Zeichen von Reife, dass sie sich nicht dem Gruppenzwang beugt und etwas tut, was sie nicht will. Als Rooney ihr jedoch sagt, jeder könne sehen, dass Jason total in sie verknallt sei, versucht Georgia krampfhaft, sich ebenfalls in Jason zu verlieben. Sie haben ein paar Dates, die einfach nur cringe sind. Dass sie auf der Bühne in die Rollen von Romeo und Julia schlüpfen sollen, macht es auch nicht leichter. Sie liebt ihn als Mensch, als besten Freund, aber da ist kein Funke. Jason hat es nicht verdient, dass sie mit ihm experimentiert. Sunil, der jetzt auch bei der Theatergruppe ist, macht ihr Mut. Er besitzt eine einzigartige Art. Durch ihn kommt sie erstmals mit dem Begriff “asexuell” in Berührung. Ihre Gedanken fahren Achterbahn. Zwar ergibt jetzt alles viel mehr Sinn, leichter wird es allerdings erst einmal nicht. Georgia denkt viel über Liebe und Sex nach, redet mit Rooney über Selbstbefriedigung und mit Pip über Sexträume. Zunächst denkt sie, die anderen nehmen sie auf den Arm. Sie kann sich nicht vorstellen, dass echte Menschen, also keine Figuren in Büchern oder Filmen, so auf Sex fixiert sind. Sie dachte immer, in Büchern und Filmen sei das einfach übertrieben dargestellt. Georgia küsst Jason und bereut es sofort. Sie dachte, es könne sie irgendwie “reparieren”, aber man kann nicht reparieren, was nicht kaputt ist. Sie befürchtet, dass ihre Freundschaft mit Jason, die ihr so viel bedeutet, nun für immer ruiniert ist. Er antwortet nicht mehr auf ihre SMS. Zwischen Pip und Rooney kehrt dafür Frieden ein, und die beiden kommen sich näher. Doch dann kommt es zum Kuss zwischen Rooney und Georgia, noch ein fehlgeschlagenes Experiment. Ein Mädchen zu küssen ist für Georgia auch nicht besser, als einen Jungen zu küssen. Leider wird Pip Zeugin des Kusses. Georgia steht nun ohne Freunde da, nur Sunil bleibt ihr. Er ist der Einzige, der sie versteht. Sie liest seinen Blog und googelt sich schlau. Sie ist eindeutig aromantisch und asexuell, aber es fällt ihr schwer, das zu akzeptieren. Sie ist wütend auf die Welt, die sie dazu bringt, sich selbst zu hassen, weil sie “anders” ist. An Weihnachten besucht Georgia ihre Familie. Wie bitte erklärt man der Oma, dass man eine Sexualität besitzt, von der die meisten Menschen noch nie etwas gehört haben? Georgia vermeidet das Thema lieber und erzählt stattdessen von der Uni, doch bei ihrer Familie dreht sich alles nur darum, ob sie “endlich” jemanden gefunden hat. Auch Cousine Ellis, 34, unverheiratet und kinderlos, erntet Spott. Die Familie will sie sogar in Therapie schicken, weil das ja nicht “normal” sei. Sie werden richtig fies, ein Leben ohne Partner und Kinder ist in ihren Augen wertlos. Georgia macht Ellis Mut. Beide erkennen, dass sie total ok und nicht allein sind. Georgia vermisst ihre Freunde. Sie will das zurück, was sie einst hatten, und was mehr wert ist als Liebe. Jason verzeiht ihr, aber um Pip zurückzugewinnen, muss Georgia schwere Geschütze auffahren …

Endlich! Viel zu lange musste die Welt auf dieses Buch warten. Während über die anderen “Buchstaben” in LGBTQIA+ schon viel geschrieben wurde, wurde das “A” bislang ziemlich vernachlässigt. Es gibt leider eine Menge Vorurteile, mit denen sich junge Menschen wie Georgia konfrontiert sehen. Hört endlich auf zu denken, alle Asexuellen wären einsam und unglücklich oder würden einfach keine(n) abbekommen, weil sie zu schüchtern oder zu hässlich sind. Jede(r) ist wie er/sie ist, und das ist total ok so! Georgias Geschichte hat mich total mitgerissen und ich konnte sehr gut nachvollziehen, was in Georgia vorgeht. Wir haben nämlich eine Menge gemeinsam. 

Ich wünsche Euch ganz viel Spaß beim Lesen!!!


Buch bestellen?

https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1062609710


Mittwoch, 29. Juni 2022

"The Summer of Lost Letters"


Mit Omas Liebesbriefen im Gepäck ins Sommerglück: "The Summer of Lost Letters"!

Hannah Reynolds, übersetzt von Fabienne Pfeiffer

The Summer of Lost Letters

978-3-551-32050-6

Carlsen Verlag

Alter: 14+

Ruth Cohen, geborene Goldman, ist tot. Sie litt an Demenz und verbrachte die letzten Jahre in einem Pflegeheim. Ihre siebzehnjährige Enkelin Abby Schoenberg erbt nun einen Stapel Liebesbriefe, die ein gewisser Edward an Ruth geschrieben hat, als diese so alt war wie Abby jetzt. Wer ist dieser Edward? Ganz sicher nicht Abbys Großvater, denn der hieß Max. Abby ist neugierig. Sie erkennt, wie wenig sie über ihre Großmutter weiß. Ruths Eltern starben in Auschwitz und sie kam als Kleinkind auf der Flucht vor den Nazis ganz allein in die USA, wuchs bei Pflegeeltern in New York auf, heiratete, bekam Kinder, doch wer war sie wirklich? Abby recherchiert weiter, und die Spur führt sie nach Nantucket, wo die Reichen und Schönen ihren Sommer verbringen. Dort lebt Edward Barbanel, der Briefschreiber und Gründer eines gigantischen Wirtschaftsprüfungsunternehmens. Abby bettelt ihre Mutter an, einen Sommerjob in einer Buchhandlung auf Nantucket annehmen zu dürfen. Der Job und ihr persönliches Familiengeschichte-Projekt machen sich sicher auch gut in der College-Bewerbung für das geplante Geschichtsstudium. Außerdem ist es die Gelegenheit, Matt aus dem Weg zu gehen, Abbys Ex-Freund, der ziemlich unsanft mit ihr Schluss gemacht hat und dann mit “Lass uns Freunde bleiben” kam. Abbys Mutter gibt schließlich nach und Abby nimmt die Fähre nach Nantucket. Sie bezieht ein Zimmer bei der netten Mrs Henderson und lernt ihre Mitbewohnerin Jane kennen. Jane jobbt in der Bäckerei ihrer Tante und stellt Abby am Strand ihren Freunden vor. Einige von denen arbeiten bei einer Catering Firma, die die Gartenparty der Barbanels mit Essen beliefert. Sie schleusen Abby ein. Die schleicht sich ins Haus und schnüffelt gerade in alten Fotoalben, als sie von Edwards Enkel Noah auf frischer Tat ertappt wird. Zunächst hält er sie für eine Diebin. Auch als sie Ihre Gründe erläutert und beteuert, dass sie keine finanziellen Hintergedanken hat, bleibt er skeptisch. Er erklärt sich zwar bereit, Abby bei ihren Recherchen zu helfen, doch sie soll vorerst seine Großeltern nicht mit ihren wilden Theorien belästigen, denn deren Beziehung ist zurzeit ohnehin angespannt. Noah und Abby treffen sich in Maggies Buchhandlung, wo Abby jobbt und lernen sich besser kennen, aber zoffen sich praktisch dauernd. Noah ist ziemlich arrogant, aber irgendwie auch ziemlich süß. Sie finden heraus, dass es die Familie Barbanel war, die damals die kleine Ruth aufgenommen hat. Doch wenn Ruth und Edward praktisch wie Geschwister aufgewachsen sind, wie passen dann die Liebesbriefe ins Bild? Noah zeigt Abby das Haus und den Rosengarten. Vieles kennt sie bereits aus den Briefen. Noah erzählt von seiner Familiengeschichte, die sich bis ins Marokko des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt, und die beiden reden über das Jüdischsein in der heutigen Zeit. Sie reden mit der alten Nancy, die Ruth als Kind kannte und ihnen von Streuselkuchen und deutschen U-Booten erzählt. Ein Gespräch mit Rabbinerin Leah erweist sich ebenfalls als aufschlussreich. Doch es bleiben noch viele Fragen offen. Was ist mit Ruths Halskette? War sie ein Geschenk von Edward? Warum nahm er sie nach der Trennung an sich und weigerte sich, sie ihr zurückzugeben? Warum hat Ruth Schluss gemacht? Warum hat Edward ihr weiter geschrieben, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits mit seiner zukünftigen Frau Helen verlobt war? Spielte es für die Heirat eine Rolle, dass Helen sehr reich und aus der Oberschicht war und Ruth “nur” ein Waisenkind? Bei einer Sommernachts-Strandparty ist Abby in Flirtlaune, doch Noah zeigt kein Interesse, daher flirtet sie mit dem attraktiven Tyler. Das stört Noah dann doch. Er meint, Tyler sei ein Herzensbrecher. Abby ist eh nicht wirklich an Tyler interessiert. Sie kann nur noch an Noah denken. Bei einem Familienessen lernt sie schließlich Noahs ganze Familie kennen. Der mittlerweile 90-jährige Edward ist schockiert als er erfährt, wer Abby ist und dass Ruth gestorben ist. Seine Frau Helen macht keinen Hehl aus ihrer Abscheu für Abby. Edward leugnet die Beziehung mit Ruth, obwohl die durch die Briefe eindeutig bewiesen ist. Abby ist kurz davor, aufzugeben. Die Stimmung ist mies, alle sind angespannt, und sie will kein Familiendrama auslösen. Noah ermutigt sie, weiterzumachen. Sie durchforsten (Online-)Archive, kontaktieren verschiedene Organisationen, reisen sogar gemeinsam nach Boston. Da kommen sie sich endlich näher, und es kommt zu einem Kuss und mehr. Sie finden heraus, dass Ruth in Lübeck geboren wurde und entdecken ein Foto der kleinen Ruth kurz nach ihrer Ankunft in den USA, auf dem sie die Halskette trägt. Warum trägt eine Vierjährige eine Diamanthalskette im Wert von über 80000$? Als Abby Helen das nächste Mal über den Weg läuft, sieht sie, dass die nun Ruths Kette trägt …

Einerseits eine lockerleichte Sommer-Lovestory, auf der anderen Seite aber auch eine Familiengeschichte mit Tiefgang! Dieses Buch hat mich total begeistert und ich habe es in einem Rutsch verschlungen! Richtig klasse fand ich die Briefe von Edward, die über das ganze Buch verteilt abgedruckt sind. Wenn Ihr also noch eine romantische Sommerlektüre für die Ferien sucht, solltet Ihr hier unbedingt zuschlagen!

Viel Spaß beim Lesen!!!

Buch bestellen? https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1062232136



Mittwoch, 15. Juni 2022

"Pippa in Paris"


Paris hat viel zu bieten. Endecke die Stadt mit Pippa: "Pippa in Paris"!

Kristina Kreuzer und Simone Hennig
Pippa in Paris 978-3-499-00958-7 Rotfuchs (Rowohlt Verlag) Alter: 8+

Familie Wagner fährt übers Wochenende nach Paris. Pippa ist schon ganz aufgeregt, vor allem wegen des Kinder-Kunst-Workshops im Louvre. Pippa will nämlich mal eine große Künstlerin werden. Auf der Zugfahrt erzählt Mama ihr eine Menge spannender Dinge, die Pippa gleich in ihrem Reisetagebuch notiert, während ihr großer Bruder Nik über seine Kopfhörer Musik hört und ihre kleine Schwester Tuffi an ihrem Schnuller nuckelt und mit Berta, ihrem Plüsch-Rochen, kuschelt. Mit der Métro fährt die Familie dann in ihr kleines, feines Hotel. Danach machen sie einen Spaziergang an der Seine und gönnen sich in einem Café kleine Köstlichkeiten. Pippa mag die Eclairs am liebsten. Mama macht Fotos von einer alten Brücke, die “Neue Brücke” (Pont Neuf) heißt und von dem Museum Centre Pompidou, das mit den vielen bunten Rohren eher wie eine Fabrik aussieht. Pippa bestaunt die Straßenkünstler und drückt sich die Nase am Schaufenster einer Modeboutique platt. Mama sagt immer wieder “Pari-Schetämm”, das bedeutet, dass sie Paris ganz toll findet. Eigentlich wollten die Eltern in ein ganz bestimmtes Bistro, wo sie vor vielen Jahren einmal waren, aber da sie es nicht wiederfinden können, gehen sie woanders essen. Papa bestellt auf Französisch, und das Ergebnis sieht auch sehr abenteuerlich aus, findet Pippa. Aber dann schmecken ihr die Zwiebelsuppe, die Pommes und vor allem die Muscheln doch ganz gut. Mama trinkt rosafarbenen Wein dazu. Nik flirtet unterdessen vor dem Restaurant mit einem Mädchen. Pippa meint, dass sie wie eine Prinzessin aussieht. Am nächsten Tag steht erst einmal der Eiffelturm auf dem Programm. Papa kauft sich im Souvenirshop eine Mütze, mit der er wie ein typischer Tourist aussieht. Der Eiffelturm hat ganz schön viele Stufen. Leider stellt sich heraus, dass Papa nicht schwindelfrei ist. Pippa hat auch ein bisschen Bammel, aber nicht vor der Höhe, sondern vor dem anstehenden Malkurs. Was, wenn sie da keiner versteht, weil alle nur Französisch sprechen? Papa macht ihr Mut. Er sagt, als er damals aus Vietnam nach Deutschland kam, hat er auch kein Wort verstanden und sich mit Händen und Füßen verständigt. Auf dem Place de la Concorde erklärt Nik Pippa, was während der Französischen Revolution so abging. Danach gibt es erstmal ein leckeres Eis. Leider wurde Pippas Malkurs abgesagt, doch sie kann kurzfristig an einem anderen Kurs teilnehmen. Der ist für Kinder ab zwölf Jahren, und Mama darf leider nicht mitkommen. Dafür lernt Pippa Aneta kennen, die ein bisschen Deutsch spricht. Es ist supertoll im Louvre. Pippa malt ganz viele Bilder von der Mona Lisa. Zum Abschluss bekommt sie eine Urkunde und ein Bleistift-Set, wie es echte Künstler haben. Während sich Pippa im Louvre vergnügt, ist Mama im Fußballfieber und Tuffi findet eine neue Freundin: Sofie. Sofies blaue Plüsch-Seekuh versteht sich prima mit Plüsch-Rochen Berta. Leider ist das Wochenende nun schon fast vorbei. Pippa schreibt noch Postkarten an Tante Ellie und ihre Lehrerin Frau Schneeball. Letzter Stopp: Montmartre und Sacré-Coeur mit leckerem Picknick.

“Pippa” ist die neue “Millie”! Ihr Paris-Abenteuer ist der Auftakt einer neuen Serie für reiselustige Kinder. Die Geschichte ist echt nett erzählt und macht Lust auf Paris. Egal, ob man eine Reise dorthin plant, oder schon mal da war, dieses Buch macht einfach Spaß!

Viel Spaß beim Lesen!!!


Buch bestellen?

https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1062244209


Mittwoch, 8. Juni 2022

"Das Salzwasserjahr"

Coole Ferienlektüre für Jungs: "Das Salzwasserjahr"!

Nora Hoch Das Salzwasserjahr 978-3-423-74061-6 dtv Verlag Alter: 14+

Jannik aus Berlin macht ein Austauschjahr in Byron Bay, Australien, 15817 km entfernt von zuhause. Gastfamilie Maden, bestehend aus Vater Cory, Mutter Analeigh und den Kindern Neil, Sam und Ruby, wohnt direkt am Meer in einem kleinen Haus mit einem großen Garten. Schon als sie Jannik (viel zu spät) vom Flughafen abholen, bemerkt er, dass es in dieser Familie Probleme gibt. Vater Cory leidet unter Depressionen, die sich noch verschlimmert haben als er seinen Job verloren hat. Tochter Sam ist von zuhause ausgezogen, weil sie es nicht mehr aushält. Neil, der coole Surfer, spielt vor seinen Freunden den Sonnyboy und versucht, nicht zu zeigen wie sehr ihn die Situation mitnimmt. Außerdem knabbert er noch daran, dass seine Freundin kürzlich Schluss gemacht hat. Auch die erst sechsjährige Ruby leidet unter der “grauen Laune” ihres Vaters. Jannik, der von seinen neuen Schulkameraden einfach Nik genannt wird, lernt am Strand die faszinierende Sienna kennen und verliebt sich sofort. Er mag ihre tiefe, rauchige Stimme, die so gar nicht zu ihrem zierlichen Äußeren passt. Leider ist Sienna ausgerechnet Neils Ex-Freundin. Obwohl die Schule fast wie in Deutschland ist, nur dass hier alle Schuluniformen tragen und Englisch sprechen, hat Nik Startschwierigkeiten. Es fällt ihm schwer, Freunde zu finden, und er vermisst seinen besten Kumpel Lewin. Von Neil, der in seine Klasse geht, wird er zwar toleriert, aber mehr auch nicht. An seinem ersten Geburtstag fernab der Heimat bekommt Nik gewaltig Heimweh und ist enttäuscht, dass seine Gastfamilie wegen all ihrer Probleme seinen Geburtstag vergessen hat. Die kleine Ruby reißt von zuhause aus und will bei ihrer Schwester wohnen, doch das geht nicht. Neil tut, als hätte er immer noch Besitzansprüche was Sienna angeht und hält alle anderen von ihr fern. Er sucht Streit mit Nik, als er bemerkt, dass der Sienna mag. Nik wird das alles zuviel, und er verkriecht sich am Strand. Dort lernt er Beautiful kennen, einen Obdachlosen, den alle für ein bisschen verrückt halten. Früher war er Lehrer, doch er wurde gefeuert, weil er unbequeme Wahrheiten verbreitet hat. Nik und Beautiful philosophieren über das Leben. Nik kann nur noch an Sienna denken, und seine Welt bricht zusammen, als er erfährt, dass sie bereits wieder vergeben ist, an den Kellner Liam. Neil sucht einmal in der Woche das Restaurant auf, in dem Liam arbeitet, um Liam zu beobachten und herum zu kommandieren (und ihn dann mit lächerlichen 10 Cent Trinkgeld abzuspeisen). Neil benimmt sich echt unmöglich, auch gegenüber Nik. Er sagt: “Du wohnst in MEINEM Haus bei MEINER Familie und jetzt willst Du Dir MEIN Mädchen krallen!” Nik macht Neil klar, dass Sienna weder ihm noch Neil gehört, sondern wenn überhaupt jemanden, dann ihrem aktuellen Freund Liam. Irgendwann vertragen Nik und Neil sich wieder. Auf einer Party hilft Nik einem gewissen Mike, der es mit dem Alkohol übertrieben hat. Er fährt Mike auf dem Fahrradgepäckträger nach hause und hält ihm beim Kotzen die Haare aus dem Gesicht. Von nun an ist Mike sein Freund. Als Nik am 24. Dezember Weihnachten feiern will, wird er ausgelacht. Australier feiern erst am 25. Ruby hat nur einen einzigen Weihnachtswunsch: Weihnachten soll die ganze Familie zusammen sein. Auch Sam muss dabei sein. Sam war immer dabei! Mit etwas Unterstützung von Sienna gelingt es Nik, Sam zu überreden. Sam kommt aber nur unter einer Bedingung. Ihr Vater soll endlich seine Medikamente nehmen und eine Therapie machen. Schließlich grillen alle am Strand und singen Weihnachtslieder. Siennas Großmutter erleidet einen Schlaganfall und stirbt. Sienna ist sehr traurig. Weil die Beerdigungsfeier ihrer “Oma Cookie” nicht im Mindesten gerecht wird, führt sie gemeinsam mit Nik ein eigenes Abschiedsritual aus. Nik ist glücklich, diesen besonderen Moment mit Sienna teilen zu können, doch dann verschwindet Sienna plötzlich spurlos … 
Ein wirklich tolles Buch für alle Australien-Fans und ein super Geschenk für alle, die wie Nik ein Austauschjahr dort machen wollen! Wer von der Story allerdings große Action erwartet, der liegt falsch. Es ist eine wunderbar leise Geschichte, über das Erwachsenwerden und über Freundschaft und Liebe. Trotz großer Gefühle ist es ein prima Buch für Jungs, denn es ist aus Sicht eines Jungen erzählt und das ganz cool in Form eines Tagebuches, Randkritzeleien inklusive. 
Viel Spaß beim Lesen!!!


Buch bestellen?

https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1057555500


Mittwoch, 6. April 2022

"Dunkelnacht"

Geschichte wird lebendig: "Dunkelnacht!"

Kirsten Boie  Dunkelnacht  978-3-7512-0053-0 Oetinger Verlag Alter: 14+

Penzberg, Ende April 1945: Schorsch (15) und Marie (14) haben Schmetterlinge im Bauch. Heute haben sie sich zum ersten Mal geküsst. Für einen Moment war die Welt in Ordnung, obwohl sie es schon seit Jahren nicht mehr ist. Zu lange schon dauert der Krieg, und der vom Führer versprochene Sieg ist nirgends in Sicht, im Gegenteil. Dennoch darf das Deutsche Volk nicht aufgeben. Bis zum letzten Mann sollen sie kämpfen. Angeblich sind die Amerikaner schon ganz nah. Daher wird der Nero-Befehl gegeben: Alles soll zerstört/ unbrauchbar gemacht werden, bevor es dem Feind in die Hände fällt, Straßen, Fabriken. Hans Rummer, der Bürgermeister war, bevor die Nazis an die Macht kamen, will verhindern, dass das Bergwerk geflutet wird und die Bergleute (zum Großteil Kriegsgefangene) retten. Im Radio heißt es dann, der Krieg sei vorbei, und Rummer zieht wieder ins Rathaus ein. Seinen Vorgänger, Vonwerden, lässt er friedlich ziehen. Er verspricht den Bürgern, das Dorf ohne Blutvergießen an die Amerikaner zu übergeben. Doch dann gibt Oberstleutnant Ohm der Wehrmacht den Befehl, das Rathaus zu umstellen und ernennt sich zum Stadtkommandanten. Im Radio spricht Gauleiter Giesler. Er erklärt, dass feindliche Elemente den Sender übernommen hätten und der Krieg mitnichten vorbei sei. Alle Vaterlandsverräter sollen erschossen werden. Vonwerden wird wieder als Bürgermeister eingesetzt. Im Dorf ist man sich unsicher, wer denn nun hier das Sagen hat. Marie und Schorsch beobachten aus einem Versteck heraus, wie die Verurteilten zum Richtplatz geführt und von den Soldaten erschossen werden. Rummer ist der Letzte, der stirbt. Die Soldaten ziehen ab, in Richtung der Alpenfestung (die es übrigens nie gegeben hat, sie war nur Propaganda). Nun könnte alles vorbei sein, doch leider war das erst der Anfang.

Nicht weit entfernt, in Großhadern, hat sich der aus Penzberg stammende Gustl (15) dem “Werwolf” angeschlossen, genauer der “Gruppe Hans”, die aus knapp 100 Mann besteht. Sie sind eine treue Gemeinschaft, die Letzten, auf die der Führer noch zählen kann. Sie kämpfen im Untergrund, gehen speziell gegen den Verrat ihrer deutschen Volksgenossen vor und verüben Sabotage hinter den feindlichen Linien. Gustl schämt sich für seine Eltern, der Vater ein “Roter”, die Mutter ein Feigling, eine Schande. Er glaubt fest an den Führer, das Reich und die arische Rasse, und will auch an den Endsieg glauben. Entweder wird er als Held in sein Heimatdorf zurückkehren oder sein Leben für die Sache geben. Doch die Realität sieht anders aus. Die “Gruppe Hans” wird nach Penzberg beordert, und der “Leitwolf” sagt Vonwerden seine volle Unterstützung gegen die “verdächtigen Elemente” zu. Flugblätter werden verteilt: Tod allen Volksverrätern! Eine Liste mit Namen und Adressen wird erstellt. Der “Werwolf” geht auf die Jagd. Gustl ist mit Feuereifer dabei. Es gibt keine Verhandlungen. Die Leute, die auf der Liste stehen, werden gleich aufgehängt. Gustl muss sich übergeben. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Auch Marie und Schorsch werden Zeugen der Hinrichtungen. Sie kommen sich vor wie in einem Alptraum, doch es ist grausame Realität!

Diese Mordnacht (28./29. April 1945) hat wirklich stattgefunden! Nur einen Tag später marschierten die Amerikaner ein! Kirsten Boie verwendet im Buch die echten Namen, sowohl die der Opfer als auch die der Täter. Die Erzählperspektive wechselt dabei zwischen Opfern und Tätern. Man ist also mitten drin in den Ereignissen, was das Ganze unheimlich spannend macht. Wer jetzt noch denkt “nicht-noch-ein-2.-Weltkriegs-Buch”, der liegt echt total daneben, denn dieses Buch ist anders und einfach eine absolute Leseempfehlung. Mit den Endphasenverbrechen beleuchtet Kirsten Boie zudem einen Aspekt des 2. Weltkrieges, der vielen eher unbekannt ist. Ganz zurecht erhielt das Buch den “Katholischen Kinder- und Jugendliteraturpreis” und wurde außerdem gleich zweimal für den “Deutschen Jugendliteraturpreis” nominiert (von der Jugendjury und der Kritikerjury)!

Viel Spaß beim Lesen!!!


Buch bestellen?

https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1059180339


Mittwoch, 30. März 2022

"Die magische Schwelle"


Willkommen in "Miniput": "Die magische Schwelle"!

Kai Pannen
Die magische Schwelle 978-3-86429-531-7 Tulipan Verlag Alter: 10+

Im Gegensatz zu seiner eher realistisch denkenden, älteren Schwester Heidi hat der zwölfjährige Flo eine überschäumende Fantasie. Der verträumte Junge liebt die Modelleisenbahnanlage seines Vaters, die auf dem Dachboden steht. All diese winzigen Details, nicht nur Gleise und Züge, sondern auch Autos, Häuser und Gartenzwerge in den Vorgärten (alles im Maßstab 1:87) haben es ihm angetan. Leider spielt sein Vater mit dem Gedanken, die Anlage zu verkaufen, an seinen ehemaligen Schulkameraden, den unsympathischen Herrn Gauke, der dafür extra aus Berlin anreisen will.  Eines Tages macht Flo eine faszinierende Entdeckung. Er stellt das Modell-Auto, das genauso aussieht wie der geliebte Oldtimer seines Vaters, der in der Einfahrt steht, aber schon lange nicht mehr fährt, auf die Anlage. Als er dann durch den Kofferraum des echten Autos klettert, landet er nicht in der Einfahrt, sondern in einer bunten, künstlichen und dennoch vertrauten Welt. Wird er jetzt verrückt oder ist das die Pubertät? Flo erfährt, dass das Auto, ein betagter Chevy, einst dem verrückten Robbi gehört hat, der immer durch die Stadt läuft und mit Leuten spricht, die gar nicht da sind. Flo erkundet die neue Welt, die er Miniput getauft hat. Obwohl alles von außen sehr idyllisch wirkt, sind die winzigen Bewohner unfreundlich und die Häuser hohle Fassaden, wie man es von Filmkulissen her kennt. Jedoch bemerkt Flo, dass er die Welt mit hilfe seiner Fantasie beeinflussen und verändern kann. Er denkt sich Geschichten aus, die dann real werden und füllt die Häuser mit Leben. Er fährt mit den Zügen und besucht sein Elternhaus, welches in einer Mini-Version auf dem Gelände steht. Dort freundet er sich mit Johannes an, der nichts anderes tut, als den Rasen zu mähen, tagein tagaus, denn das ist seine Funktion. Als er in einem alten Fotoalbum Bilder von früher sieht, wird ihm klar, dass Johannes genau wie sein Vater als Jugendlicher aussieht, und auch das Haus genauso eingerichtet ist, wie in Vaters Jugend. Als Flo gerade die alte Burg erkundet, taucht Heidi auf. Sie hat ihm nachspioniert und ist ihm durch den Kofferraum gefolgt. Gemeinsam erleben sie eine Reihe von Abenteuern, bis plötzlich ein unheimlicher Narr auf der Burg auftaucht. Könnte Vaters Angst vor Clowns damit zusammenhängen? Der Narr verursacht auch bei Flo Alpträume. Weil Heidi sich vorgestellt hat, dass Flo ein toller Fußballer ist, wird er es auch und glänzt bei einem Fußballspiel in Miniput. Doch auch in der normalen Welt kann er plötzlich Fußball spielen. Er benutzt die gleiche Taktik, um sein Klavierspiel zu verbessern, denn er ist in seine Klavierlehrerin verknallt und will sie beeindrucken. Natürlich könnte er auch einfach mehr üben. Doch dieser Übertragungseffekt hat auch Nachteile. Als Heidi sich beim Klettern in Miniput verletzt, nimmt sie die blutende Wunde mit in die normale Welt. Trotzdem besuchen sie Miniput täglich. Vorher gestalten sie die Anlage nach Belieben um, bringen beispielsweise ein Prinzessinnenschloss, ein Lebkuchenhaus und einen Tyrannosaurus Rex ins Spiel. Johannes ist fast immer dabei. Er mäht nicht mehr nur stur den Rasen, sondern entwickelt sich und wird immer eigenständiger. Leider taucht auch der unheimliche Narr wieder auf und beginnt, Miniput zu zerstören. Doch unverhofft taucht ein Retter auf, der die Macht des Narren brechen kann. Leider ist dennoch kein Happy End in Sicht. Flos und Heidis Vater hat nun endgültig beschlossen, die Anlage zu verkaufen. Was soll denn jetzt aus Johannes werden? Während ihrer Rettungsaktion für ihren Freund geraten Flo und Heidi selbst in große Gefahr, denn ihr Vater beginnt bereits mit dem Abbau der Anlage, während die beiden in Miniput sind. Mit Schrecken müssen die Geschwister mit ansehen, wie immer mehr Teile von Miniput im Nichts verschwinden. Auch der Rückweg ist versperrt. Als Flo dann vor Heidis Augen verschwindet, scheint alles verloren. Können die Kinder je in die normale Welt zurückkehren? Vielleicht kann Johannes helfen …

Eine spannende Geschichte voller Abenteuer und Fantasie! Die Idee mit der Miniput-Welt fand ich total klasse. Es wäre so cool, wenn es so etwas in echt gäbe. Wenn ich meine Eltern besuche, muss ich oft in Frankfurt länger auf meinen Anschlusszug warten. Im Bahnhof steht so ein großer Glaskasten mit einem Modellbahngelände drin. Da stehe ich eigentlich jedes Mal davor und stelle mir vor, dass ich in dieser Miniaturwelt herumlaufen würde. Daran musste ich beim Lesen immer denken. Also, lasst Eurer Fantasie freien Lauf und träumt auch ihr Euch mit diesem Buch in eine andere Welt!

Viel Spaß beim Lesen!!!


Buch bestellen?

https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1060373185


Mittwoch, 23. März 2022

"Wörter an den Wänden"


Adam wäre gerne "normal", doch er hat Schizophrenie: "Wörter an den Wänden"!

Julia Walton, übersetzt von Violeta Topalova
Wörter an den Wänden 978-3-03880-039-2 Arctis Verlag Alter: 14+

Der sechzehnjährige Adam Petrazelli leidet unter Schizophrenie. Als er im Alter von zwölf Jahren anfing, Dinge zu sehen, die andere nicht sehen, dachte er noch, es läge an seiner neuen Brille, doch inzwischen weiß er es besser. Adam führt ein Tagebuch, welches Teil seiner Therapie ist. Seit kurzem nimmt an einer Medikamentenstudie für “ToZaPrex” teil. Das experimentelle Medikament schlägt an. Zwar sieht Adam nach wie vor Dinge und Personen, die nicht echt sind, die Halluzinationen nehmen mit steigender Dosis zunächst sogar noch zu, doch er kann besser unterscheiden, was real ist und was nicht. Als Nebenwirkung treten allerdings starke Kopfschmerzen auf. Vor einiger Zeit ist Adam auf eine katholische Schule gewechselt, obwohl er nicht gerade der religiöse Typ ist. Ablehnen konnten sie ihn dort aber nicht, weil Jesus liebt ja alle und so ;-). Seine Lehrer wissen von seiner Krankheit, seine Mitschüler jedoch nicht. Adam macht sich den arroganten Ian zum Feind, freundet sich mit dem redseligen Dwight an, der ihm das Tennis Spielen beibringt und verknallt sich total in die coole Maya. Maya will Ärztin werden, aber in der Forschung, denn sie mag keine Menschen, ist eher der logische als der gefühlvolle Typ. Als ihm nach einer Erhöhung seiner Dosis in der Kirche schwindelig wird, gibt sie ihm eine Flasche Wasser. Auf keinen Fall darf sie merken, was mit ihm los ist. Er will, dass sie ihn für normal hält, nicht für verrückt. Imaginäre Mafiosi liefern sich eine Schießerei in der Cafeteria, doch Adam bleibt ruhig, weil es ja nicht echt ist. Als jedoch seine imaginäre Freundin, die Amazone Rebecca, eines Tages panisch zum Schul-Schwimmbecken läuft, folgt er ihr - zum Glück, denn dadurch kann er Nichtschwimmerin Maya vor dem Ertrinken retten. Da er sich gut Fakten einprägen kann, soll Adam dem akademischen Zehnkampf-Team, dem auch Maya und Dwight angehören, beitreten. Das ganze Teams besteht praktisch aus typischen Nerds, die alle sozial etwas unbeholfen sind. Adam übt mit Maya. Da sie gerade mies drauf ist, kocht er für sie. Denn das kann er gut, Zuhören und Kochen. Aber da sie nicht sagt, was los ist, bleibt es halt beim Kochen. Dafür bekommt er einen Kuss. Adam hat Angst, die Kontrolle zu verlieren, Angst, das zu tun, was ihm die Halluzinationen befehlen, Angst, dass die Menschen dann aus gutem Grund Angst vor ihm haben. Als die Dosis weiter und weiter erhöht wird, kann er die Halluzinationen besser kontrollieren, manchmal sogar vertreiben. Nach den Ferien sind Adam und Maya offiziell ein Paar. Als es an der örtlichen Grundschule zu einem Amoklauf durch einen psychisch kranken Täter kommt, machen Adams Mitschüler ziemlich heftige Bemerkungen: “Warum hat er sich nicht einfach gleich selbst umgebracht, wenn es ihm so Scheiße geht?” Die haben ja keine Ahnung! Adam hat in der Bibliothek Ärger mit Ian. Außerdem leidet er unter neuen Nebenwirkungen, wie Schlaflosigkeit und Muskelzuckungen. Ach ja, und seine Mutter ist schwanger! Adam merkt, wie er immer mehr die Kontrolle verliert. Es kommt zu Rückfällen. Bei einem Date mit Maya bekommt er Panik, als die Figuren von der Leinwand in den Kinosaal stürmen und reißt Maya zu Boden. Die versteht das falsch, als Aufforderung zum heftigen Rumknutschen. Im Theaterstück zu Ostern muss Adam den Jesus geben und verliert seine Unschuld nach der Kostümprobe. Seine Dosis wird immer weiter gesteigert, doch es zeigt sich, dass er eine Medikamentenresistenz entwickelt hat. Damit ist es kein guter Kandidat für die Studie mehr, seine Daten können nicht verwendet wenden. Obwohl die Wirkung anfangs positiv war, wird keine längere Behandlung mit “ToZaPrex” empfohlen und die Ärzte wollen das Medikament ausschleichen lassen. Adam fängt wieder an, mit seinen Halluzinationen zu reden. Er hat eine total realistische Halluzination von Maya, wie sie vor einen LKW läuft und fragt sich, ob sie überhaupt jemals real war. Doch Maya gibt es zum Glück wirklich. Sie kommt zur Babyparty von Adams Mutter. Auch die rassistische, homophobe und generell biestige Stief-Oma ist leider anwesend. Adam quält der Gedanke, dass man ihn nie mit dem Baby allein lassen wird wenn es da ist. Seine Halluzinationen werden immer heftiger, immer lebendiger, lassen sich nicht mehr so einfach vertreiben. Er kann nichts dagegen tun. Er hat Angst vor dem Schulball. Er hat Angst, Maya zu verlieren. Also spart er Pillen auf, bevor sie endgültig abgesetzt werden und nimmt sie allesamt vor dem Ball - ein großer Fehler …

Adam ist ein außergewöhnlicher und sympathischer Charakter, den man einfach gernhaben muss. Die meisten Leute haben, wenn sie an einen Schizophrenen denken, einen gewalttätigen Irren vor Augen, dabei sind die meisten harmlos. Adam erzählt in seinem Tagebuch sehr persönlich, ehrlich, und manchmal auch ziemlich sarkastisch und humorvoll über sein Leben und davon, was ihn bewegt. Die Krankheit hat ihn ungewöhnlich früh ereilt, die meisten Betroffenen sind etwas älter. Er ist neidisch auf die anderen Jugendlichen mit ihren “normalen” Problemen. Obwohl dies kein Sachbuch über Schizophrenie ist, habe ich daraus eine Menge gelernt. Wirklich ein tolles Buch zu einem interessanten (und im Jugendbuch-Bereich bisher wenig beachteten) Thema!

Viel Spaß beim Lesen!!!


Buch bestellen?

https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1056643869


Mittwoch, 16. März 2022

"Sein Reich"

Wenn Dein Vater ein Reichsbürger ist: "Sein Reich"!

Martin Schäuble Sein Reich 978-3-7373-4194-3 Fischer KJB Verlag Alter: 12+

Es sind Sommerferien, doch für den fünfzehnjährigen Juri ist keine Urlaubsreise in Sicht. Seine Mutter hat kein Geld, was eventuell daran liegen könnte, dass ihr neuer Freund Hauke alles versäuft. Aus einer Laune heraus beschließt Juri ganz allein zu seinem Papa zu fahren, der in einem kleinen Dorf im Schwarzwald lebt und den Juri praktisch noch nie gesehen hat. Der Papa staunt nicht schlecht über den unangekündigten Besuch, aber wenigstens schlägt er Juri nicht die Tür vor der Nase zu. Juris Papa ist im Grunde ganz nett, aber ein wenig eigenartig. Die beiden bauen gemeinsam ein Modellflugzeug, gehen Fliegenfischen und Juri darf sogar auf dem Feldweg mit Papas Auto fahren. Papas bester Kumpel Achim lebt mit seiner Frau Hanna, den Söhnen Kurt und Heinrich und den Zwillingstöchtern Margarethe und Martha auf einem alten Gut. Achim und seine Familie sind Selbstversorger, halten unter anderem Hühner, und die Kinder werden zuhause unterrichtet. Achim schimpft auf die Politiker und die Pharmaindustrie, und Juris Papa stimmt ihm zu. Sicher, es macht Juri Spaß mit Kurt und Heinrich im Wald mit Pfeil und Bogen zu schießen, und die Küsse von Maggi (Margarethe) sind auch nicht zu verachten, aber ein wenig unheimlich sind ihm Papas Freunde schon. Gut, dass es auch noch ein paar “normale” Leute in der Gegend gibt. Juri lernt die Dorfjugend kennen, unter anderem Jule, ihre Schwester Jessy und deren Freund, und er knutscht schon bald mit Jule am Waldsee rum, wo Abends die Party abgeht. Er ist hin und hergerissen zwischen Jule und Maggi, weil er beide mag, entscheidet sich aber letztendlich für Jule. Von Achim und seinen Leuten halten Juris neue Freunde nicht viel, umgekehrt gilt dasselbe. Papa schenkt Juri das Buch “Enthüllungen”, das ihm die Augen öffnen soll. Es ist voller Verschwörungstheorien, wie dass die Mondlandung nie stattfand etc. Juri tut sein Vater leid, da dieser anscheinend in eine Sekte voller Spinner geraten ist. Wenn Juri mit Papa unterwegs ist, darf er nie sein Handy mitnehmen, weil man ihn sonst orten kann. Papa sammelt seine Post ungeöffnet in Kartons, keine Behörde kann ihm etwas vorschreiben, die haben alle keine Berechtigung. Er erkennt die BRD als Staat nicht an. Sie sei nur eine Firma, die Menschen als “Personal” missbraucht. Deshalb haben die auch einen “Personalausweis”. Papa jedoch besitzt keinen Personalausweis (übrigens auch keinen Angelschein, obwohl er ständig angelt), nur einen Pass vom Deutschen Reich, das wurde nämlich nie aufgelöst und existiert daher immer noch. Die Krönung ist jedoch der Bunker, den Papa im Wald gebaut hat. Durch eine Geheimtür im Boden gerät man in einen unterirdischen Raum, in dem Dosennahrung, Gasmasken und Jodtabletten gelagert sind, denn Papa ist fest davon überzeugt, dass ein Atomkrieg unmittelbar bevorsteht. Während Papa auf den atomaren Winter wartet, will Juri eigentlich nur seinen Sommer genießen. Mit seinen neuen Freunden vom See sprayt er NAZI an die Hauswand von Automechaniker Karl, eine Mutprobe, denn die Dorfjugend will wissen, auf wessen Seite er steht. Karl und seine Frau Elsbeth gehören zu Achims Leuten. Karl fertigt nicht nur Autokennzeichen mit dem Wappen des Deutschen Reiches, sondern er leugnet auch historische Begebenheiten wie den Holocaust und den 11. September, bzw. er erzählt sehr abenteuerliche Versionen davon, die von keinerlei Fakten gestützt werden. Sein Sohn Jens wurde vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen. Juris Papa meint, Jens sei einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und erzählt noch was von wegen Lügenpresse, die Dorfjugend hingegen redet von Körperverletzung, Landfriedensbruch und einer Rohrbombe in einem Flüchtlingsheim. Überhaupt dreht Papa immer mehr ab. Er redet wirres Zeug von Chemtrails und ist für Juris logische Gegenargumente überhaupt nicht zugänglich. Juri wird klar, in was er da hineingeraten ist: “Karl ist offenbar der Dorfnazi. Achim fährt mit alten Kennzeichen herum und lebt mit seiner Familie wie im Mittelalter. Mein Papa redet wirres Zeug von dunklen Mächten und Kampfstoffen. Und dann nennen sie sich auch noch Reichsdeutsche.” (Zitat S.161) Eigentlich will Juri nur noch nach hause. Er verabschiedet sich von Jule. Die beiden machen ein Picknick, und Juri verliert seine Unschuld an Jule. Jule hat zwar einen Freund, Leon, aber der macht gerade ein Austauschjahr in den USA. Weil Juri den Bus verpasst, muss er noch bleiben. Papa und Jens nehmen ihn mit in den Wald, wo sie mitten in der Nacht irgendwelches Zeug zum Bunker schleppen, unter anderem ein Trockenklo. Die ganze Situation wird Juri immer unangenehmer und unheimlicher. Weil Juri in Papas Sachen rumgeschnüffelt hat, wird er von Jens bedroht, und Papa hält sich auch nicht gerade zurück. Er schlägt ihn und meint, wenn er weiter schnüffelt und frech wird, kann er was erleben. Juri hat Angst vor Papa und will einfach nur weg. Er flieht bei Nacht und Nebel und stolpert im Wald mitten in einen Waffendeal von Karl und Jens, die irgendwas von Bürgerkrieg und Volksverrätern faseln …

Martin Schäuble, der mich schon mit seinem Roman “Endland” begeistert hat, legt mit “Sein Reich” erneut eine packende Story zu einem aktuellen Thema vor. Durch die Augen des Durchschnittsteenagers Juri bekommt man einen interessanten Blick auf das Leben und die Ideologien der Reichsbürger. Dass jemand an solch absurde Verschwörungstheorien glaubt, ist für einen logisch denkenden Menschen schwer zu verstehen. Auch ich habe beim Lesen ein paar mal einfach nur den Kopf geschüttelt, weil ich es kaum glauben konnte. Dennoch fand ich die Thematik sehr spannend, und die Geschichte ist toll erzählt.

Noch eine interessante Info für alle Lehrer*innen: Für die Verwendung in der Schule ist unter http://www.fischerverlage.de/service/lehrer ein Unterrichtsmodell zu ›Sein Reich‹ abrufbar. 

Ich kann mir vorstellen, dass dieses Buch eine sehr gute Schullektüre abgibt. In Zeiten von Fake-News und Rechtspopulismus ist es wichtig, dass Jugendliche lernen Behauptungen kritisch zu hinterfragen, anstatt nur blind denjenigen zu glauben, die am lautesten brüllen.

Viel Spaß beim Lesen!!!


Buch bestellen?

https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1060461653


Mittwoch, 2. März 2022

"Grimm und Möhrchen - Ein Zesel zieht ein"


Heute mal wieder was (nicht nur) für die Kleinen, ein super Vorlese-Vergnügen: "Grimm und Möhrchen - Ein Zesel zieht ein"!

Stephanie Schneider, illustriert von Stefanie Scharnberg
Grimm und Möhrchen - Ein Zesel zieht ein
978-3-423-76366-0
dtv junior Verlag
Alter: 5+ (zum Vorlesen)

Buchhändler Grimm führt ein ruhiges, beschauliches und auch etwas einsames Leben in der “Bücherkiste”, seiner kleinen, gemütlichen Buchhandlung auf dem Dorfplatz. Doch eines Tages, an einem langweiligen Regentag,  bekommt er nicht nur Besuch von der “freiwilligen Feline”, einer hübschen Feuerwehrfrau, in die er verknallt ist und die ihm einen Topf Buchstabensuppe vorbeibringt, sondern auch von einem kleinen Zesel. Ein Zesel ist ein Tier, halb Zebra und halb Esel. (Die gibt es wirklich, müsst Ihr mal Bilder googeln, sind super süß.) Das Zesel stellt sich mit dem Namen Möhrchen vor und verspricht Grimm viele gemeinsame Abenteuer. Die beiden teilen sich die Suppe und Abends nimmt Grimm Möhrchen mit nach hause in das Kleine Haus mit dem großen Garten und der schiefen Hausnummer 7. Möhrchen will wissen, ob er oft Kissenschlachten macht oder Fußball spielt, doch Grimm verneint, weil das allein nicht geht. Gut, dass Grimm nun nicht mehr allein ist. Das Zesel schläft in seinem Koffer neben Grimms Bett. Schon bald sind die beiden unzertrennlich. Möhrchen hat viele lustige Ideen, er erfindet zum Beispiel den “Topfstand”. Überhaupt mag Möhrchen Wörter, vor allem die ungewöhnlichen und die altmodischen Wörter, die leider kaum noch jemand benutzt. Also werden “Firlefanz” und “Eiertanz”, “Knickerbocker” und “Katzentisch” aus den Büchern befreit und auf Zettel geschrieben, die sich Grimms Kunden mit nach hause nehmen dürfen. Später besuchen Grimm und Möhrchen Grimms Kumpel Rudi an dessen Tankstelle. Hier gibt es viele spannende Sachen. Schade, dass Grimm kein Auto hat, um durch die Waschanlage zu fahren. Dafür baut Rudi für Möhrchen ein kleines Auto, mit dem das Zesel viel Spaß hat. Einmal bleiben Grimm und Möhrchen die ganze Nacht auf und sitzen im Mondschein. Es gibt viele Dinge, die Möhrchen nicht versteht. Da wäre zum Beispiel eine schwierige Kundin, die für ihr Patenkind ein nettes Buch sucht, in dem alle gesund und glücklich sind und nichts Aufregendes passiert. (Glaubt mir, ich kenne diesen Kundentyp nur zu gut.) Als sie dann mit einem bunten Glitzerbuch den Laden verlässt, wundert sich Möhrchen. Manchmal passieren eben traurige und schlimme Sachen - auch Kindern, warum sollen sie nichts darüber lesen? Und warum lässt man die Kinder nicht einfach selbst entscheiden, was sie lesen wollen? Möhrchen unterhält sich mit dem Mädchen Kira und lädt sie und ganz viele andere Kinder in die Buchhandlung ein. Die Kinder bauen eine Höhle und lesen sich gegenseitig vor. Ab jetzt ist jeden Dienstag Vorlesestunde in der “Bücherkiste”. Als sich der Sommer dem Ende neigt, geben Grimm und Möhrchen ein Abschiedsfest für ihn. Möhrchen ist traurig, doch dann kommt der Herbst mit Pfützenspringen und Kastanienbasteln. Möhrchen und Grimm verschenken Papierschiffe mit Geschichten, und Möhrchen lernt, dass auch eine Nussecke manchmal eine runde Sache sein kann. Dann beginnt das Warten auf Weihnachten. Davon hat Möhrchen noch nie gehört, findet aber schnell Gefallen an der schönen Adventszeit …
Ganz klar mein neues Lieblingsbuch unter den Vorlesebüchern! Die Geschichten sind super lustig und stecken voller Sprachwitz, und die Bilder sind einfach toll! Ich wünsche mir, dass sich so ein cooles Zesel auch einmal in meine Buchhandlung verirrt ;-))).
Viel Spaß beim Lesen!!!

Mittwoch, 23. Februar 2022

"Die Verknöpften"


Schwere Zeiten, beste Freunde und eine tolle Lehrerin: "Die Verknöpften"!

Andrea Behnke Die Verknöpften 978-3-945530-33-7 Ariella Verlag Alter: 10+

Bochum 1938: Auf den ersten Blick wirkt Fräulein Ilse Hirschberg nicht sehr beeindruckend. Ganz klein ist sie, mit kurzen Locken und dicken, runden Brillengläsern, umso größer sind jedoch der Mut und das Herz der engagierten jüdischen Lehrerin. Unter ihren Schülern sind auch die Freunde Liselotte, Minna und Leon. Liselotte sieht, wie sich die Welt um sie herum verändert. Kaum noch Kunden kommen in das Stoffgeschäft ihrer Eltern, Männer in dunklen Uniformen und mit eisigen Blicken ziehen durch die Straßen, im Park und im Freibad sind Juden unerwünscht. Manchmal fahren sie raus ins Grüne, wo sie niemand kennt und sie ihre Sorgen für einen Moment hinter sich lassen können, schlecken Vanilleeis für 10 Pfennig und sitzen auf den Parkbänken, obwohl auf ihnen “Nur für Arier” steht. Ihre nicht-jüdische Freundin Hildegard können Liselotte und Minna nur noch heimlich treffen. Hillis Keller ist ihr Hauptquartier, und sie sind “die Verknöpften”, wegen der Freundschaftsbänder mit den Knöpfen, die Liselotte für sie genäht hat. Liselotte näht auch Kleider und Kuscheltiere, und sie sammelt Knöpfe. Außerdem ist sie sehr musikalisch, liebt es zu singen, und bekommt seit einiger Zeit Flötenunterricht von dem netten Lehrer Herr Messing, der ihr Talent erkannt und ihr sogar eine Blockflöte geschenkt hat. Da Leon, der bei seiner Oma lebt, auf dem Schulweg immer wieder verprügelt wird, weil er Jude ist, beschließt Fräulein Hirschberg, ihn von nun an jeden Tag zu begleiten. Liselotte ist ein bisschen in Leon verliebt und schenkt ihm ihre neue Mütze, weil er keine eigene hat. Seine Oma hat nicht viel Geld und kann mit ihren krummen Fingern nicht mehr stricken. Fräulein Hirschberg rät den Familien ihrer Schüler, Englisch oder Hebräisch zu lernen, um auswandern zu können. Sie gibt sogar Unterricht. Minnas Mama lernt bereits seit einiger Zeit Englisch, doch Minna denkt sich nichts dabei. Viele Familien haben das Land bereits verlassen. Doch Liselottes Eltern wollen bleiben, selbst nach dieser furchtbaren Nacht, in der Liselotte von einem lauten Knall und Scherben-Klirren geweckt wird. Männer in Uniformen und mit Hakenkreuzbinden schlagen die Fenster ein und verwüsten den Laden, Mama und Papa werden als Volksverräter beschimpft und Liselotte, die sich versteckt hat, macht vor Angst in die Hose. Auch viele andere Geschäfte fallen der Zerstörungswut der Männer zum Opfer, die Schule wird geplündert, die Synagoge in Brand gesetzt. Niemand unternimmt etwas dagegen. Doch Fräulein Hirschberg lässt sich nicht unterkriegen. Sie tut alles, damit die Schule wieder geöffnet werden kann und macht ihren Schülern Mut. Ganz groß kommt sie Liselotte auf einmal vor, im Gegensatz zu ihrem sonst so starken Vater, der in eine tiefe Depression fällt. Er ist nur noch müde, schlurft im Schlafanzug durch die Wohnung. Liselottes Mutter fegt die Scherben weg, doch das Geschäft ist nicht zu retten. Die Versicherung zahlt nicht, die Familie ist pleite. Dann muss Lieselotte auch noch von ihren besten Freunden Abschied nehmen …

Während die meisten Bücher zu diesem dunklen Kapitel der Deutschen Geschichte für die jüngeren Leser noch zu kompliziert geschrieben oder schlicht inhaltlich zu heftig sind, trifft diese Geschichte genau den richtigen Ton, um auch bereits 10-Jährigen verständlich zu machen, was damals geschah und was die Kinder damals erlebten und dabei fühlten. Dies geschieht vor allem durch die Sicht von Liselotte, deren Welt sich vor ihren Augen radikal verändert. Freundschaft, Angst, Zusammenhalt und Abschied - Gefühle stehen hier im Mittelpunkt. Im Anhang befinden sich jedoch zusätzlich ausführliche Erläuterungen über die geschichtlichen Hintergründe, die leicht verständlich geschrieben sind. Die Figur der Ilse Hirschberg beruht auf einer Person, die es tatsächlich gab, nämlich die Lehrerin Else Hirsch, an die heute noch ein Stolperstein in Bochum erinnert und nach der sogar eine Schule benannt ist. 

Viel Spaß beim Lesen!!!


Buch bestellen?

https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1059670412


Mittwoch, 16. Februar 2022

"Und der Ozean war unser Himmel"


Nennt mich Bathseba.: "
Und der Ozean war unser Himmel"!

Patrick Ness, übersetzt von Bettina Arbarbarnell Und der Ozean war unser Himmel 978-3-570-16570-6 cbj Verlag Alter: 14+

In ferner Zukunft erzählt die Waldame Bathseba die Geschichte ihres Lebens: Als sie 16 Jahre alt war, zog sie als 3. Lehrling von Kapitänin Alexandra durch den Ozean auf der Jagd nach den Menschen. Viel zu lange waren die Wale die Gejagten. Nun haben sie den Spieß umgedreht und sind zu Jägern geworden. Alexandra zieht das Schiff mit ihrer Flosse, auf welchem die Matrosen, die einer kleineren Walart angehören, arbeiten. Die Lehrlinge Treasure, Willem und Bathseba folgen ihrer Kapitänin, mit Harpunen auf dem Rücken. Die Wale halten sich für die Herrscher der Meere. Sie sind den Menschen, dieses seltsamen und barbarischen Kreaturen, die “verkehrt herum” leben (für Menschen ist der Ozean unten und der Abgrund oben), klar überlegen. Menschen verfügen weder über Echoortung zum Navigieren, noch über eine Atemblase. Die junge Bathseba findet die Jagd auf die Menschen, oder wohl eher den Krieg mit ihnen, spannend und aufregend, doch im Laufe der Zeit wird sie ihre Meinung radikal ändern. Als ihre Gruppe ein treibendes Schiff findet und mit leichter Beute rechnet, erleben sie eine Überraschung. Sie entdecken nicht nur einen Menschen, der überlebt hat, sondern auch einen Hinweis auf ihren größten Feind, den Menschen Toby Wick. Dessen Initialen TW sind auf eine Münze graviert. Bathseba hält nicht viel von dem Aberglauben um Toby Wick. Glaubt man den anderen Walen, ist er kein Mensch, sondern der Teufel persönlich, jedoch hat noch niemand ihn wirklich gesehen. Vielleicht ist er ja nur eine Legende. Für Bathseba sind alle Menschen irgendwie Toby Wick. Der menschliche Überlebende wird in eine Luftblase gehüllt und gefangen genommen. Bathsebas Aufgabe ist es, ihn zu bewachen und beim Verhör zu assistieren, da sie die Menschensprache besser als die anderen versteht. Der Mensch, der sich Demetrius nennt, behauptet, Wick hätte sie mit seinem riesigen weißen Schiff angegriffen. Auch die Menschen fürchten ihn. Die Münze sei eine Karte, die den Weg zu Wick weist. Sie folgen der Karte zu den Bergen, und Treasure und Willem träumen schon von einem glorreichen Sieg, von Ruhm und Ehre. Bathseba hingegen zweifelt - an der Mission, an dem kommenden Sieg, an der Existenz von Wick - und wird deshalb von ihrer Kapitänin gemaßregelt, die sie auch sonst oftmals demütigt und schikaniert. Obgleich Bathseba die Menschen hasst (immerhin haben sie ihre Mutter grausam abgeschlachtet und dann noch nicht einmal alle Teile verwertet, sondern das Meiste den Haien überlassen), unterhält sie sich immer öfter und länger mit Demetrius. Sie soll ihm weitere Informationen entlocken und ihn dann töten, doch sie hat Mitleid mit ihm. Es geht ihm nicht gut, er ist hungrig, durstig und friert, die Haut löst sich schon vom Fleisch. Es zeigt sich wieder einmal, dass Menschen nicht für das Leben im Meer gemacht sind. Er kritisiert die Wale und die “Prophezeiungen”, von denen sie ihr Leben bestimmen lassen und sich so vor der freien Wahl und den Konsequenzen drücken. Er warnt sie auch, dass sie Wick in die Falle gehen würden, wenn sie so weiter machen. Alexandra wimmelt derweil eine andere Walschule und deren Kapitän Arcturus ab, die ebenfalls auf der Jagd nach Wick sind. Dann stoßen sie auf ihrem Weg auf die Leichen von über 50 Walen. Etwas in Bathseba zerbricht, als sie ein totes Walbaby sieht, äußerlich unversehrt, aber tragischerweise in der schützenden Umarmung seiner Mutter ertrunken. Sie will nicht mehr. Sie will auch Demetrius die Freiheit schenken. Es hat genug Tote gegeben. Alexandra meint, sie müssen kämpfen, damit sie aufhören können, Teufel zu sein, doch Bathseba fragt sich, ob nicht das Kämpfen sie erst zu Teufeln macht. Sie finden weitere Hinweise auf Wicks Aufenthaltsort in einem Schiff, welches dann aber explodiert, was Treasure das Leben kostet. Alexandra beharrt darauf, dass das alles Teil der großen Prophezeiung ist. Bathseba widerspricht, Alexandra nennt sie ein dummes Kind und schlägt sie heftig mit der Flosse. Bevor die Gruppe in die finale Schlacht gegen Wick zieht, kommt es noch zu einer weiteren Konfrontation mit Kapitän Arcturus. Dann erscheint das große, weiße Schiff von Toby Wick. Doch nichts ist so, wie es zu sein scheint …

Die Illustrationen sind der Hammer, einfach wunderschön! Und die außergewöhnliche Geschichte hat mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert. Die ungewöhnliche Erzählperspektive aus Sicht eines Wals erscheint anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber wenn man sich darauf einlässt, kann man sich gut in Bathseba hineinversetzen. Die Thematik rund um den Krieg, Bathsebas Zweifel und die zarte Freundschaft, die zwischen ihr und einem ihrer Feinde entsteht, dies alles verleiht diesem doch recht dünnen Buch eine ganze Menge Tiefgang. Und dann wären da noch die Parallelen zu “Moby Dick”, die bereits beim ersten Satz (“Nennt mich Bathseba.” - Bei “Moby Dick”: “Nennt mich Ismael.”) angedeutet werden. Ist das jetzt ein Kinderbuch? Ja. Nein. Vielleicht. Ich würde es ab 14 Jahren empfehlen, die Grenze nach oben lasse ich offen, denn es ist durchaus auch noch etwas für erwachsene Leser.

Viel Spaß beim Lesen!!!


Buch bestellen?

https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1057820035